Die
Entlassung
Erstausgabe:
Emil Ludwig. Die Entlassung – Ein Stück
Geschichte in drei Akten. Potsdam: Kiepenheuer, 1922, 64 Seiten.
Auch in Historische Dramen, 1931, und in Bismarck. Trilogie eines Kämpfers. 1927.
Übersetzungen: Arabisch
(1966), Englisch (1927), Französisch (1932), Spanisch (1935)
Die
Entlassung – Ein Stück Geschichte in drei Akten ist ein in drei Akte
gegliedertes Drama, das im Jahre 1890 in Berlin spielt und von der Entlassung
des Reichskanzlers Otto von Bismarck durch Kaiser Wilhelm II. handelt. Emil
Ludwig veröffentlicht das Drama 1922, zweiunddreißig Jahre nach dem Abdanken
Bismarcks.
Der erste Akt findet im Kontext einer Kabinettssitzung im Berliner
Schloss statt, bei der sich Kaiser Wilhelm II, Bismarck und die Minister (u. a.
Karl Heinrich von Bötticher) über die Budgetplanung
des Reiches austauschen. Wilhelm II plant, die Arbeiterschaft durch die
Implementierung von Sozialversicherungs- und Arbeiterschutzgesetzen wie ein
Verbot der Kinder- und Sonntagsarbeit zu stärken, sie an dem wirtschaftlichen
Erfolg teilhaben zu lassen und somit die Zufriedenheit des Volks längerfristig
zu garantieren. Die Umsetzung dieses Sozialprogramms und auch Wilhelms Wunsch,
die innenpolitische Führung des Landes verstärkt zu übernehmen und
eigenverantwortlich Gesetze zu verabschieden, führt zu einem sich anbahnenden
(Generations-)Konflikt zwischen den Interessen des 29-jährigen Kaisers und des
75-jährigen Bismarcks. Auch im zweiten
Akt zeigt Ludwig die zunehmenden Meinungsverschiedenheiten zwischen
Bismarck und Wilhelm II auf. Der junge Kaiser sucht vermehrt bei seinen
vertrauten Ministern wie Bötticher Rat, trifft mit
ebendiesen im Alleingang Absprachen und verfolgt das Ziel, volksnah an der
Seite der Minister zu regieren. Bismarck hingegen verweist auf die bestehende
Kabinettordnung von 1852, die das Verhandeln zwischen Ministern und dem Kaiser
gesetzlich verbietet. Im dritten Akt
nennt Ludwig zusätzlich die außenpolitischen Unstimmigkeiten zwischen Kaiser
und Reichskanzler. Während der Reichskanzler die Verlängerung des
Rückversicherungsvertrags mit Russland als Notwendigkeit sieht, um die
Sicherheit des Landes zu garantieren und eine Isolation des Deutschen Reiches
zu verhindern, nimmt Wilhelm II diese Dringlichkeit nicht wahr. Ludwig
skizziert Bismarck dementsprechend als diplomatischen Außenpolitiker mit einer
stringent verfolgten Bündnispolitik, wohingegen der junge Kaiser als
egozentrisch und wenig beständig in Bezug auf (innen- und) außenpolitische
Regierungsfragen erscheint und primär an der Ausweitung seines persönlichen
Regiments interessiert ist (vgl. Wilhelm
der Zweite). Die innen- und außenpolitischen Differenzen zwischen Wilhelm
II und Otto von Bismarck münden im März 1890 in dem Abdanken des
Reichskanzlers.
Ludwig veröffentlicht sein Drama
in der turbulenten Anfangsphase der Weimarer Republik, die von einer
zerrissenen Parteienlandschaft, revolutionären Aufständen und aufkommenden
Zweifeln an der parlamentarischen Demokratie gekennzeichnet ist. In dieser
Umbruchzeit fordern die Kritiker der jungen Republik verstärkt die Rückkehr zur
konstitutionellen Monarchie und glorifizieren die zurückliegende Kaiserzeit.
Mit seiner Veröffentlichung stellt Ludwig die Schwächen und Grenzen der
Monarchie heraus, beschreibt die Entlassung des diplomatischen Reichskanzlers
als einen der Hauptgründe für den Kriegsausbruch und positioniert sich
demzufolge als Befürworter der demokratischen Republik.
Amelie Lohmann