Der Niedergang Emil Ludwigs

 

 

Emil Ludwig erlebte durch seine Biographik einen enormen Aufstieg in seiner Karriere. Trotz dieses Aufstiegs musste er jedoch auch den Niedergang erfahren, der ihn letztendlich nahezu in Vergessenheit geraten ließ. Dieser Niedergang begann schon zu Ludwigs Lebzeiten. Das Interesse seiner Leserschaft nahm kontinuierlich ab. Ein wesentlicher Grund dafür war die Anzahl seiner Veröffentlichungen. Ludwig produzierte und veröffentlichte zu schnell und zu viele Werke, welches das Publikum ermüden ließ. Waren zu Beginn seine Biografien etwas Neues und Sensationelles gewesen, so entwickelte sich über die Zeit ein Stillstand. Seine Arbeiten waren bekannt und sein Stil nicht mehr neu und spannend. Die moderne Massenkultur verlangte nach Innovativem, welchem Ludwig mit seinen Biografien nicht mehr gerecht wurde.

Zudem zeichnete sich während des Zweiten Weltkriegs eine Änderung auf dem literarischen Markt sowie im Zeitklima ab. Ludwigs Sprache, die neuromantisch geprägt war, entsprach nicht mehr dem aktuellen Geist der Zeit. Zugleich verlor die Massenkultur Ende der 1920er Jahre die Vorliebe für Biografien. Somit waren Ludwigs Biografien großer Männer am Ende ihrer Hochzeit angekommen. Obwohl die Produktion seiner Werke fortlief und er achtbare Verkaufszahlen in den vorherigen Jahren aufwies, blieb dann in den 1920er Jahren der Verkauf aus. Auch Ludwig selbst gab Ende der 1940er Jahre an, sich in der Welt dieser Zeit nicht mehr wohlzufühlen.

Der sich verändernde Zeitgeist war jedoch nicht der einzige Grund für Ludwigs Niedergang. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch das negative öffentliche Bild, welches über die Jahre von Ludwig entstanden war. 1913 hatte er in einer öffentlichen Debatte mit einer Polemik gegen Richard Wagner Stellung bezogen und wurde dadurch skeptisch und umstritten betrachtet. Darüber hinaus hatte er auch durch sein Buch über Wilhelm den Zweiten und Juli 14 das deutschnationale Geschichtsbild erschüttert. Dieses trieb die Anti-Ludwig-Propaganda an, welche immer mehr an Schärfe gewann. Seine 1929 veröffentlichte Biografie über Jesus Christus sorgte für Spott. Die Spötter vermuteten, er würde bald auch eine Biografie von Gott schreiben. Die Attacken gegen Ludwig häuften sich an und füllten 1932 mehrere Ordner.

Das Hauptaugenmerk dieser Kritik lag auf Emil Ludwig. Die Ordner waren jedoch auch seit Beginn an mit Antisemitismus gefüllt. Die Angriffe auf Ludwig waren oftmals »Abrufungen des antisemitischen Stereotyps«. So wurde in einem fast 200 Seiten langen Pamphlet die Frage gestellt: »Ist Emil Ludwig geistig und menschlich berechtigt, Bücher zu schreiben, die auf die Meinung der Welt Einfluss üben?« Am 16. Mai 1933 erschien Ludwig dann auf der Schwarzen Liste der schönen Literatur und wurde als »eigentlicher Hauptschädling« betitelt, der »auch für den Buchhandel auszumerzen wäre«. Die Konsequenz daraus war das Verbot der Veröffentlichung und das Verlegen seiner Werke in Deutschland. Zudem wurden jegliche Werke Ludwigs aus öffentlichen und privaten Bibliotheken entfernt.

Nach der Machtergreifung erklärte das Regime Emil Ludwig zum Feind, und er wurde folglich zum Opfer der antisemitischen Nazipropaganda. Die deutschen Zeitungen feierten jede kritische Rezension über Ludwig, die im Ausland erschien, wie einen Triumph. So hieß es im Oktober 1937 im Nationalblatt »Ohrfeige für Emil Ludwig Cohn«. Das 1936 veröffentlichte Werk Mord in Davos sorgte ebenfalls für Aufregung. Der Regierungsrat Wolfgang Diewerge schrieb im SS-Organ Das Schwarze Korps, dass Ludwigs Buch das »beste Beweisstück für die Richtigkeit der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung und die Notwendigkeit der Ausmerzung des Judentums aus dem deutschen Kulturleben« sei. Es biete »einen tiefen Einblick in die jüdische Denkweise«. Im Oktober 1937 wurde zudem eine Kampagne des Auswärtigen Amtes gestartet. Dabei ging es darum, dass alle Konsulate und Missionen per Rundschreiben angewiesen wurden, in der Presse einen Artikel zu veröffentlichen, der Ludwigs Warnungen vor den Kriegsabsichten der Nationalsozialisten entgegenwirken sollte. Im dazugehörigen Vermerk des Amtes hieß es: »Diese Aufklärung ist notwendig, weil Ludwig […] immer wieder versucht, sich an fremde Regierungen heranzumachen.«

Aus literaturgeschichtlicher Sicht trug der Zeitpunkt seines Todes am 17. September 1948 zum Niedergang seiner Karriere ebenfalls bei. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann er sich als Autor zu positionieren, was ihm zwar in Frankreich, jedoch nicht in den von den Aliierten besetzten Zonen Deutschlands gelang. Aufgrund dieser Tatsache wäre es von Nöten gewesen, durch Fürsprecher sein Werk in neuen oder alten Verlagen einzuführen und wiederzubeleben. Diese Unterstützung war Ludwig wegen der strengen Kontroversen jedoch verblieben.

Zudem definierte sich Ludwig während seines Exils nicht als deutscher, sondern als schweizer Autor. Wenn es Überlegungen zur Integration seines Werkes in die Nationalliteratur gegeben haben sollte – in welche sollte dies dann geschehen?

Sein Werk hatte in den 1970er Jahren durch das Ignorieren des Exils sowie durch die Erforschung dessen durch einen dominierenden Anteil ehemaliger Emigranten keine Chance. Bis auf wenige Arbeiten blieben Ludwigs Werke nach 1948 im deutschsprachigen Raum ungedruckt. Ca. ein Drittel seiner Bücher (von ungefähr 100) erschienen nicht auf Deutsch.

Einer der wirkungsmächtigsten Autoren, der sich gegen Unterdrückung und Krieg und für Toleranz und Demokratie einsetzte, ist geradezu aus dem Gedächtnis verschwunden und in Vergessenheit geraten.

 

Birte Hilgemeier, Annika Römer