Emil Ludwig und der PEN-Club
Nach den Erlebnissen des 1. Weltkrieges
wurde im Oktober 1921 in London der erste internationale PEN-Club gegründet.
Die Gründerin war die Schriftstellerin Catherine Amy Dawson Scott. Innerhalb der
darauffolgenden zwei Jahre wurden europaweit weitere PEN-Clubs an verschiedenen
Standorten ins Leben gerufen.
Das Wesen des PEN-Clubs stand für ein
friedliches und gleichberechtigtes Miteinander unter Schriftstellern. Humanität
untereinander sollte über die unterschiedlichen Nationen hinaus gewährleistet
werden. Der erste Präsident des Clubs, John Galsworthy, vertrat daher vehement
den Standpunkt, dass der Club sich niemals in das politische Geschehen
einmischt (No politics under no
circumstances). Im Zuge des zunehmenden Nationalismus in Deutschland 1933
befand sich der österreichische PEN-Club in einer verdichteten prekären Lage.
Da innerhalb der Delegierten einige mit dem Nationalismus sympathisierten, kam
es zu immer mehr Unruhen und extremen Meinungsverschiedenheiten untereinander.
Nachdem der Schriftsteller H.G. Wells die Leitung des Clubs übernahm, spitzten
sich die Unstimmigkeiten weiter zu. Anlass dafür waren die Bücherverbrennungen
am 10. Mai 1933. Einen Monat darauf, am 28. Juni, wurde eine Generalversammlung
im Hotel »Imperial« in Wien einberufen. Es kam zu einer Resolution, die mit 25
gegen 15 Stimmen angenommen wurde. Emil Ludwig war einer der Unterzeichner.[1]
»Der österreichische Penklub erhebt
entschieden im Namen der deutschen Freiheit und der übernationalen Grundsätze
des Penklubs Einspruch gegen die geistige Unterdrückung des Individuums…«
Daraufhin kam es zur Spaltung des
Clubs. Die völkisch-nationalen und katholischen Autoren traten aus dem
österreichischen Club aus. Im Zuge dessen gab es vermehrt Anfeindungen, die in
der Presse gegen die Unterzeichner geäußert wurden (»Fort mit ihnen aus
Deutschland!«). Die Bücher dieser Autoren kamen auf die Verbotslisten. Zudem wurde
dem Verleger Paul von Zsolnay nahegelegt, ebenfalls aus dem PEN-Club
auszutreten. Die Bücher der angefeindeten Unterzeichner durfte er nicht mehr
verlegen. Dazu gehörten ebenso Emil Ludwigs Werke, die nach dem Konkurs des
Rowohlt Verlags in Wien verlegt wurden.[2]
Emil Ludwig polemisierte fortwährend,
dass der PEN-Club politische Themen und Debatten zulassen sollte, wie z.B. im Neues Wiener Journal vom 23. Juni 1934.
Allerdings erhielt er hier scharfe Ablehnung von Seiten des Präsidenten H.G.
Wells, der die Ansicht vertrat, dass die freie Meinungsäußerung der Autoren
erstmal das wichtigste Anliegen wäre.[3]
»Emil Ludwig schlug eine Revolution
vor, die den Präsidenten des Penklubs im Falle einer akuten Kriegsgefahr dazu
verhalten soll, eine Generalversammlung einzuberufen, um die Freiheit der
Meinungsäußerung und die Garantie der Penklubprinzipien während eines solchen
Krieges zu verteidigen. Ludwig sprach von der Impotenz des Völkerbundes, den er
durch einen Völkerbund der Intellektuellen ersetzen will, der im Rahmen des
Penklubs das Urteil über die Kriegsschuld und in dem jeweiligen Völkerkonflikt
sprechen soll.«
1934 gründeten deutsche Schriftsteller,
die sich vom Nationalismus distanzierten, einen eigenen deutschen PEN-Club im
Exil. Entgegen seiner Devise und Grundsätze engagierte sich der internationale
PEN-Club zunehmend im politischen Geschehen. Verfolgten Schriftstellern und
ehemaligen Mitgliedern bot er Zuflucht und finanzielle Unterstützung an. Das
englische PEN-Zentrum in London hob sich diesbezüglich außergewöhnlich
vorbildlich von anderen Zentren ab.
Emil Ludwig äußerte sich erneut 1936
auf dem PEN-Club Kongress in Buenos Aires entschlossen gegen das NS-Regime und
erntete für seine Stellungnahme Beifall von der Zuhörerschaft. Dies war umso
bemerkenswerter, als sich Stefan Zweig, als Vertreter des österreichischen
PEN-Clubs nicht öffentlich auf dem Kongress zu dem NS-Regime äußerte. Emil
Ludwig setzte sich in seiner Rede kritisch mit der Frage auseinander, ob
Literatur und Politik grundsätzlich voneinander abgrenzbar seien. Er verlieh
dieser Frage Gewicht, indem er zuvor auf die vermeintliche Widersprüchlichkeit
des PEN-Clubs verwies, deren Mitglieder in ihren Vorträgen stetig darauf
hinwiesen, nicht politisch zu argumentieren. Er beharrte darauf, dass alle über
Politik gesprochen hatten.[4]
Emil Ludwig erinnerte an deutsche Schriftsteller, die durch das Nazi-Regime
Repressionen oder den Tod erleiden mussten. Er sah sich als Fürsprecher
derjenigen Schriftsteller, denen durch Exil, Bücherverbrennung oder schlimmere
Leidenswege nicht mehr die Möglichkeit gegeben war, sich offen zu äußern. Es
war ihm wichtig, sie ehrenhaft zu würdigen. Emil Ludwig bekannte sich dazu ein
deutscher Schriftsteller zu sein. Er empfand es als Auszeichnung, von den Nazis
genauso mit Buchverbrennungen verfolgt zu sein, wie namhafte Schriftsteller
seiner Zeit:
»Ich habe die Ehre, zu Ihnen im Namen
der vertriebenen und ausgewanderten deutschen Schriftsteller zu sprechen.
Persönlich habe ich das Glück, auf Grund eines in meinen Jugendjahren gefaßten
Entschlusses vor 30 Jahren in die Schweiz ausgewandert und seit langer Zeit
Schweizer Bürger zu sein. Aber ich bin immer deutscher Schriftsteller gewesen
und an einem Mai-Nachmittag des Jahres 1933 habe ich die Ehre gehabt, das
Schicksal meiner besten Gefährten auf einem gewissen Scheiterhaufen zu teilen.
Ich nahm einen Platz zwischen Heinrich Heine und Spinoza ein, und es schien mir
würdiger, zwischen zwei Genies der Rasse verbrannt als von einigen
rassekundigen Professoren beweihräuchert zu werden.«
In seiner Kritik im Epilog zum
PEN-Kongreß in Buenos Aires äußerte sich Emil Ludwig unzufrieden mit der
Organisationsstruktur des Kongresses selbst. Er warf den Kongressorganisatoren
vor, wichtige Diskussionen durch Pausen zur Erholung zu unterbrechen und damit
sinnvolle Zeit zu verschwenden. Er kritisierte den mangelnden Zusammenschluss
von gemeinsamen Resolutionen und beschrieb die damit verbundene Angst der
Gastgeber, sich als gemeinsamer PEN-Club offen gegen den Krieg und für politische
Sichtweisen zu positionieren.
Im Jahre 1937 wurden über Emil Ludwig
länderübergreifend diskriminierende Schriften verfasst. Ludwig hatte vor
Kriegsabsichten gewarnt. Dies suchte man zu entkräften und auf die öffentliche
Wahrnehmung Einfluss zu nehmen mit dem Ziel seine Werke und seine Person
öffentlich zu diskreditieren. Man publizierte diese öffentlichen
Diskreditierungen in zahlreichen Zeitschriften und sparte dabei nicht mit
Antisemitismus. Urheber der Diskreditierungsversuche war das Deutsche Auswärtige
Amt, das durch Nazi-Propaganda und durch Kontakt zu politischen Institutionen
anderer Länder diese Nachricht zu verbreiten suchte.[5]
Im Jahre 1938 erfolgte der »Anschluss«
Österreichs, die Aufnahme des Bundesstaates Österreich in
das Deutsche Reich. Immer mehr
Autoren gingen daraufhin ins Exil. Die Präsidentin des englischen PEN-Zentrums,
Margarete Storm Jameson, und der Generalsekretär, Hermon Ould, waren »damit
beschäftigt, Visa für meist mittellose Schriftsteller zur Weiterreise in andere
Exilländer zu beschaffen«. In dieser Zeit war an keinen regelmäßigen
Clubbetrieb zu denken. Auch Max Hermann-Neisse und Rudolf Olden waren stetig
damit beschäftigt, Gutachten für die Betroffenen Schriftsteller zu verfassen.
Von diesem Schicksal war auch der
Dramatiker, Erzähler, Essayist, Theaterkritiker und Journalist Raoul
Auernheimer betroffen. Er wurde am 21. März 1938 in Wien von der Gestapo
festgenommen und in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Er selbst glaubte,
dass der Grund für die Festnahme seine Mitgliedschaft im österreichischen
Pen-Club sei, da er seit dessen Gründung im Jahre 1922 Vorsitzender und
Vizepräsident war. Er verurteilte unter anderem die in Deutschland
stattfindenden Bücherverbrennungen und protestierte gegen die Misshandlungen,
»denen diejenigen Schriftsteller ausgesetzt waren, die wegen ihrer Abstammung
oder ihrer politischen Überzeugung in Konzentrationslager verschleppt wurden«. Nach fünf Monaten Zwangsarbeit im Konzentrationslager
Dachau wurde er, »in erster Linie durch die Fürsprache des deutschen
Schriftstellers Emil Ludwig und des amerikanischen Charge d'Affaires in Berlin,
Prentiss Gilbert, der zwei Komödien Auernheimers ins Englische übersetzt
hatte«, entlassen.[6]
Im drauffolgenden Jahr sollte der XVII.
Kongress vom 3. bis 7. September 1939 in Stockholm stattfinden. Der Großteil
der Mitglieder waren bereits angereist, als der Kongress jedoch aufgrund des
Kriegsausbruches abgesagt worden war. Thomas Mann und Gerhart Hauptmann waren
als Redner vorgesehen gewesen.
Die Arbeit des deutschen Pen-Clubs im
Exil kommt bedingt durch den Beginn des Krieges im Jahre 1939 und mit dem Tod
Rudolf Oldens im September 1940 größtenteils zum Erliegen. Mit dem Kriegsende
wurde die Arbeit jedoch wieder aufgenommen. Bis heute ist der deutsche Pen-Club
im Exil (heute: P.E.N.-Club Deutscher Autoren im
Ausland) aktiv. Dessen Sitz allerdings nicht mehr in London ist, sondern immer
am Wohnort des geschäftsführenden Sekretärs.
Anja
Gerstmann, Stefanie Holtz, Sulamith Wedler
[1]
Klaus Amann. »Der
österreichische PEN-Club in den Jahren 1923-1955«. In D. Bores, S. Hanuschek
(Hg.). Handbuch PEN. Geschichte und
Gegenwart der deutschsprachigen Zentren. Berlin 2014, S. 481-532, hier S.
492.
[2]
Vgl. Christoph Gradmann. Historische Belletristik. Populäre
historische Biografien in der Weimarer Republik. München 1993, S. 44.
[3] Vgl. »Bilanz des Penklubkongresses in Schottland. Scharfe Ablehnung
eines unmöglichen Vorschlages Emil Ludwigs durch H. G. Wells«. In Neues Wiener Journal, 23.06.1934, S. 7.
[4]
Vgl. Günther Pflug. Der deutsche PEN- Club im Exil 1933 – 1948.
Frankfurt am Main 1980, S. 149ff.
[5]
Vgl. Wolfgang Hardtwig,
ErhardSchütz. Geschichte für Leser.
Populäre Geschichtsschreibung in Deutschland im 20. Jahrhundert. Stuttgart
2005, S. 55ff.
[6] John M. Spalek, Joseph
Strelka. Deutschsprachige Exilliteratur
seit 1933. Band 1. Kalifornien. Teil 1. Bern 1976, S. 234.