Gespräche mit Masaryk. Denker und Staatsmann

 

 

Erstausgabe: Emil Ludwig. Gespräche mit Masaryk. Denker und Staatsmann. Mit einem Lebensbild. Amsterdam: Querido, 1935, 349 pp.

Übersetzungen ins Englische (1936), Niederländische (1935), Rumänische (1934), Spanische (1937), Tschechische (1935).

 

 

Gespräche mit Masaryk. Denker und Staatsmann erschien 1935 im Exil-Verlag Querido in Amsterdam. Es handelt sich hauptsächlich um eine Niederschrift des über mehrere Tage geführten Interviews Ludwigs mit dem 83 Jährigen Staatsoberhaupt der damaligen Tschechoslowakei Tomas Garrigue Masaryk. Im heutigen Deutschland hat die Person Masaryk auf historischer Ebene an Bedeutung verloren, wodurch nur eine deutsche Auflage des Buches existiert. Anders in Tschechien, wo das Werk mittlerweile die 10. Auflage (2012) erreicht hat.

Gegliedert ist der Band in ein Vorwort, eine kurze Biographie und das eigentliche Gespräch mit Masaryk, das drei Themen umfasst (Denken. Handeln, Denken und Handeln), die wiederum in insgesamt 15 Unterkapitel eingeteilt sind.

Das Vorwort beinhaltet neben Hintergrundinformationen wie Ortsangabe, ersten stilistischen Gesprächsmerkmalen des Interviewten oder der persönlichen Meinung Ludwigs über Masaryk, den er als »homo europaeus« heroisiert,  die Intention des Werkes: Ludwig strebt eine Charakterdarstellung Masaryks an. Im nächsten Abschnitt »Bildnis eines Staatsgründers« erfährt der Leser die märchenhaft anmutende Biografie Masaryks, die vor allem verdeutlichen soll, was für eine bedeutende Persönlichkeit in dem folgenden Interview zu Wort kommt.

Der Schwerpunkt im ersten Teil des Gespräches liegt auf philosophischen Sachverhalten, die zu einer ersten Charakterdarstellung Masaryks führen: Ein akademisch hochgebildeter Mensch, der sehr wissenschaftlich objektive und bodenständige Gedanken über Themen wie Philosophie, Theologie. Religion und Politik äußert. Im zweiten Teil wird die historisch-politische Staatsgründung der Tschechoslowakei besprochen und die Rolle Masaryks als Mitbegründer des neuen Staates. Hier geht es um einen Menschen, der nicht nur theoretische Analysen durchführt, sondern sich friedlich für Unterdrückte aller Art einsetzt. Im letzten Teil geht es um die Einstellung zu Europa, hier wird Masaryk als demokratischer Weltbürger dargestellt, der die politische Lage Europas Mitte der 1930er Jahre realistisch analysiert und sich für ein zukünftig zusammenarbeitendes demokratisches Europa ausspricht, das gemeinsam einen drohenden Krieg verhindern soll.

Ludwig stellt dem Leser einen volksnahen, demokratischen Staatsmann vor, der in Zeiten eines drohenden Krieges zwischen den deutschen Nationalisten und dem restlichen Europa zur Demokratie und für einen friedlichen Zusammenschluss Europas plädiert. Unverkennbar spricht in diesem Werk nicht nur Masaryk, sondern vor allem Ludwig selbst, der durch dieses Buch versucht seine eigene pazifistisch-demokratische Einstellung an Dritte weiterzugeben und den Leser, mit Hilfe eines damals wichtigen Staatsoberhauptes, für seine politischen Ideen zu begeistern. Indirekt werden dadurch immer wieder, an einzelnen Stellen, Vergleiche zur damaligen politischen Lage Deutschlands gezogen.

 

Nadja Steinmetz