Goethe als Demokrat
Erstdruck:
Emil Ludwig. »Goethe als Demokrat«. In Neue
Schweizer Rundschau 24 (1922). H. 12, S. 546–558.
Der
Artikel Goethe als Demokrat soll als
Aufklärung über die Missdeutung Goethes fungieren, der als »Weltmann im Staate«
schon zu seiner Zeit von allen politischen Seiten als Gegner verschrien war.
Ludwig versucht, die Polarität des Wesens von Goethe zu erklären, und
kritisiert dahingehend den zur damaligen Zeit herrschenden Gegensatz von Geist
und Staat. Goethe verbinde die Elemente von Denken und Handeln und sei als
Dichter und Denker ein Vorreiter für demokratische Grundkonzepte. Ludwig
verdeutlicht dabei, dass Goethe weniger Revolutionär als demokratisch
handelnder Staatsmann sei. Beispielhaft wird das politische Handeln Goethes
durchleuchtet, der seinerseits die Grundgedanken der französischen Revolution,
insbesondere die Aufwertung des 3. Standes, vertritt.
Ludwig
sieht Goethe gar als Evolution von Seele, Dichtung und Naturforschung an, der
im Zuge seines überragenden Intellekts ein tieferes Verstehen des eigenen und
sozialen Seins erlange. So spricht er sich klar gegen Gewalt, blinden Hass und
den revolutionären Antrieb aus reiner »Selbstigkeit«
aus. Er stellt sich zwischen die Parteien, wodurch er von beiden Seiten mit Kritik
zu kämpfen hat. Ludwig stellt klar, dass es Goethe insbesondere um den Wunsch
nach Demokratie im Inneren und den Völkerbund im Äußeren gehe. Nach seinem
Verständnis müssen Freiheit und Ordnung, im Zuge der Verbindung von Verstand
und Kraft, umgesetzt werden. Nur so könne nach Goethe eine friedliche und
gerechte Welt entstehen. Dabei folge er seinem Grundprinzip eines realistischen
Denkens in Ausprägung eines idealistischen Handelns.
Zum
Ende seines Artikels geht Ludwig insbesondere auf die Rolle der großen Dichter
und Denker in seiner eigenen Zeit ein. So seien Goethes Ideen für eine
friedliche Welt abseits von Krieg, Gewalt und Missgunst eine beispielhafte
Orientierung für das politische Handeln zu seiner Zeit. Dennoch dürfe man nicht
den Fehler begehen, die Dichter ihrer Zeit zu entreißen und eigenen politischen
Motiven oder Parteien propagandistisch zuzuordnen.
Sebastian
Schmidke