Juli
14
Erstausgabe: Emil Ludwig. Juli 14. 1.–40. Tsd. Berlin: Ernst
Rowohlt, 1929, 246 pp.
Übersetzungen: Albanisch (2001),
Dänisch (1929), Englisch (1929), Finnisch (1929), Französisch (1929), Hebräisch
(1930), Italienisch (1930), Japanisch (1930), Jiddisch (1929), Lettisch (1929),
Niederländisch (1929), Norwegisch (1929), Portugiesisch (1933), Rumänisch
(1929), Russisch (1929), Schwedisch (1929), Slowenisch (1933), Spanisch (1929),
Tschechisch (1930), Türkisch (1932).
Mit
Juli 14 veröffentlicht Emil Ludwig im
Jahr 1929 eine aufsehenerregende Untersuchung zur Kriegsschuldfrage, die
kontroverse Diskussionen nach sich zieht. In 14 Kapiteln (Das Attentat, Die Kriegsgrafen, Das Ultimatum, Die Erschrockenen, Die
Aufgeregten, Auf See, Die Bedenklichen, Die Erwartungsvollen, Die
Protestierenden, Das Europäische Konzert, Die Kleineren, Die Wage, Die
Betrogenen, Die Lawine) beschreibt und analysiert Ludwig die Ereignisse der
fünf Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Das Fazit seiner Analyse, in
der die Motive der politischen Akteure und Kabinette der beteiligten Staaten
sowie die Haltung und Resonanz der Öffentlichkeit im Vordergrund stehen,
lautet: Die Schuld für den Kriegsausbruch liegt allein bei den Regierungen, insbesondere
der Österreich-Ungarns und Russlands, genauer bei den Kabinetten, den
involvierten Ministern, Generälen und Diplomaten. Keines der jeweiligen Völker
hat eine kriegerische Auseinandersetzung postuliert; vielmehr sind Forderungen
nach Frieden u.a. in Form von Demonstrationen laut geworden.
An
den Anfang seiner Analyse stellt Ludwig die Ermordung des
österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie
in Sarajevo am 28. Juni 1914, den Ausgangspunkt der Julikrise. Das Attentat
ordnet Ludwig als von den österreichisch-ungarischen Staatsmännern mehr oder
weniger erwünscht ein: Der
Kriegswille sei so stark gewesen, dass auch fehlende Beweise bezüglich einer
Beteiligung bzw. Mitwisserschaft der serbischen Regierung am Attentat
verschleiert worden seien; das Stillhalten des deutschen Kaisers in Bezug auf
das Vorgehen Österreich-Ungarns und die Ausstellung des Blankoschecks wird
hierbei ebenfalls kritisch von Ludwig in den Fokus gerückt. Darüber hinaus wird
auch der Zweck des österreichisch-ungarischen Ultimatums und die darin
enthaltenen nahezu untragbaren Forderungen an Serbien herausgestellt: die
Ablehnung des Ultimatums als Begründung für die Kriegserklärung. Durch das
Einbringen verschiedener diplomatischer Positionen macht Ludwig die Kenntnis
darüber deutlich, dass ein Krieg mit Serbien höchstwahrscheinlich auch einen
Krieg mit Russland nach sich ziehen werde. Russlands Verbindung mit Serbien und
Konflikte mit Österreich-Ungarn, Frankreichs Vereinbarung mit Russland und der
Verlust Lothringens nach dem Sieg Preußens, Englands Wunsch nach Neutralität
und moralische Verpflichtung gegenüber Frankreich und Deutschlands Erklärung
der Bündnistreue gegenüber Österreich-Ungarn – Ludwig stellt in Juli 14 die politischen Beziehungen der
einzelnen Länder heraus. Nicht nur die Spannungen zwischen den Ländern, sondern
auch das enorme Schwanken aller Beteiligten in Bezug auf eine tatsächliche
bewaffnete Auseinandersetzung – thematisiert werden u.a. die Interventionen des
britischen Außenministers Edward von Grey und des deutschen Kaisers Wilhelm II
– machen hierbei wichtige Teile der Analyse aus und lassen sowohl den
Kriegsausbruch als auch den Ersten Weltkrieg selbst als Farce erscheinen.
Eingehend
beschreibt Ludwig zudem die Täuschung der Bevölkerung durch die Regierungen,
nennt zahlreiche Fälschungen in den jeweiligen Farbbüchern. Der eigene
Kriegswille sei durch die jeweilige Regierung verschleiert, der Kriegswille der
anderen beteiligten Länder verschärft dargestellt worden, sodass die Bevölkerung
die Unumgänglichkeit eines Krieges habe annehmen müssen und sich aufgrund
dessen dem Kurs der Regierenden angeschlossen habe.
Die
Intention Ludwigs erscheint eindeutig: Durch die Veröffentlichung seiner
Analyse des Kriegsausbruchs, der Beschreibung der eklatanten Täuschungen und
fehlerhaften Entscheidungen der Regierungen und der daraus resultierenden
Misere der Bevölkerung weist Ludwig explizit auf die aus seiner Sicht
verfehlten Alleingänge der Machthaber hin und fordert die Öffentlichkeit implizit
zur Teilhabe am politischen Geschehen auf, um weiteren durch die Regierenden
geschaffenen Krisen entgegenzuwirken.
Anna Moira Hotz