Paul Tillich: Was soll mit Deutschland geschehen? – Eine Stellungnahme gegen Emil Ludwigs Rede vom 4. Juli 1942

 

 

Der protestantische Theologe Paul Tillich, der 1933 seiner Lehrtätigkeit an der Frankfurter Universität entbunden wird und im gleichen Jahr in die USA emigriert, fühlt sich durch die Rede Ludwigs zu einer Reaktion veranlasst. Er bezieht in einem Artikel Was soll mit Deutschland geschehen? Gegen Emil Ludwigs neueste Rede, welcher am 17. Juli 1942 in der jüdischen Emigrantenzeitung Aufbau erscheint, Stellung zu den zitierten Aussagen Emil Ludwigs. Dabei protestiert er gegen dessen Generalisierung, denn man könne das Übel einer bestimmten Zeit und Gruppe nicht dem gesamten Volk zuschreiben. Er vergleicht die Argumentation Ludwigs mit der Methodik antisemitischer Propaganda, man brauche hierzu nur »German« durch »Jewish« zu ersetzen und die Aussprüche Ludwigs hätten den Charakter eines antisemitischen Schmutzpamphlets. In der folgenden Ausgabe des Aufbaus erfolgt – erneut unter der Überschrift Was soll mit Deutschland geschehen? – die Veröffentlichung der gesamten Rede Ludwigs, um zu einer Klärung der Sachlage beizutragen. Denn der am 6. Juli 1942 in der New York Times veröffentlichte Artikel Ludwigs Asks Fight on »German People«, stellt lediglich eine verkürzte Version der Rede Ludwigs dar. Um den Inhalt jener Rede angemessen beurteilen zu können, sei jedoch der vollständige Wortlaut notwendig. Nach dem Abdruck der Rede eröffnet sich eine kontroverse Debatte, in die sich nunmehr eine Vielzahl von deutschen Emigranten wie Hannah Arendt, Friedrich Wilhelm Förster oder Heinz Pol einhaken. Doch Emil Ludwig, der vermeintliche »Deutschlandhasser«, wehrt sich gegen die harsche Kritik an seiner Person in Form einer Stellungnahme, die unter dem Titel An die deutschen Patrioten im Exil im Aufbau erscheint. Er ist der Meinung, dass die aufgekommene Debatte rund um die Kriegsschuldfrage für Angriffe auf seine Person missbraucht wird.

Insgesamt zeichnet sich in dem zwischen Tillich und Ludwig ausgebrochenen Disput im besonderen Maße die Gespaltenheit des deutschen Exils in den Vereinigten Staaten ab.

 

Lea Volkens