Die zeitgenössische Rezeption des Romans ist wohlwollend, zumeist
jedoch negativ. Vor allem wird Liepman wegen der Naivität des Protagonisten
ein Scheitern seines satirischen Anspruchs attestiert: „So unterentwickelt
darf man sogar in einer Satire nicht sein“, meint die Zürcher
Woche. Christa Rotzoll in der Süddeutschen
Zeitung vermutet gar unter der Überschrift „Überanstrengung“
eine falsche Wahl des Genres: „Viele Geschichtchen, staubige und frischere,
sind der Geschichte von den Gefahren der Ehrlichkeit aufgepackt worden,
obwohl sie für sich allein, sei es auf der Unterhaltungsseite, sei’s
gar im politischen Humor-Organ, viel besser dastünden, besser und,
übrigens, auch ehrlicher“. Auch die Westdeutsche
Rundschau kritisiert den Episodencharakter des Textes: „Liepman
schrieb ein paar hübsche Kurzgeschichten mit Karlchen als Hauptfigur.
Ein Roman ist das nicht.“ Und Hans Gerd Rötzer im Rheinischen
Merkur stellt die rhetorische Frage: „War es nicht zumindest auch
verfehlt, hier von einem Roman zu sprechen?“
J.P.W. in der Tat
(Zürich) schließlich zweifelt an der Qualität der „Satire
ohne große Schärfe“. Sie „ist so etwas wie ein literarisch nicht
allzu anspruchsvoller Unterhaltungsroman mit ein wenig Tiefgang und moralischem
Appell“. Die Mehrheit der Rezensenten rettet sich vor dem Verriß
durch die Flucht in eine andere Genrebezeichnung: Statt „Satire“, die auch
Politisches implizieren würde, heißt es häufig „modernes
Märchen“ (Kieler Morgenzeitung).
Die einzige – neben zahlreichen Kurzmeldungen – ausdrücklich positive
Rezension stammt von Peter Jokostra in Christ
und Welt (Stuttgart), der in Karlchen eine „Apologie der Wahrhaftigkeit,
eine Zeitbilanz und Gesellschaftssatire“ entdeckt.
Müller-Salget
schließlich wertet den Text als biographisch bedeutsam: Liepman sei
es nach der Überwindung seiner Drogensucht gelungen, einmal mit einer
Satire zu demonstrieren, daß es ihm gelingen könne, Distanz
zu zeigen und „darüber zu stehen“.