The Other Love

(Die andere Liebe)

 

 

Produktionsdaten

The Other Love
(Die andere Liebe)
in den credits angegeben nach Erich Maria Remarques unpublizierter Kurzgeschichte Beyond, tatsächlich nach Remarques Treatment The Other Love

USA 1947; Enterprise für United Artists
Originallänge: 97 Min., schwarz/weiß
Regie: André de Toth; Produktion: David Lewis; Buch: Ladislas Fodor, Harry Brown; Kamera: Victor Millner; Schnitt: Walter Thompson; Musik: Miklos Rosza
Darsteller: Barbara Stanwyck (Karen Duncan), David Niven (Dr. Stanton), Richard Conte (Paul Clemont), Maria Palmer (Huberta), Joan Loring (Celestine), Richard Hale (Prof. Linnaker), Edward Ashley (Richard Shelton), Natalie Schafer (Dora Shelton), Lenore Aubert (Yvonne), Jimmy Horne (Pete), Mary Forbes (Mme. Gruen), Ann Codee (Blumenhändlerin), Kathleen Williams (Gehilfin der Blumenhändlerin), Gilbert Roland (Croupier)

Erstaufführung: 27. März 1947
Deutsche Erstaufführung: 20. Juli 1988
 

Kontext / Analyse

Bereits am 27. Mai 1931 berichtete Carl Laemmle sen., Chef der Universal Pictures, in einem Interview mit dem Los Angeles Examiner, daß er im Begriff stehe, die Filmverwertungsrechte für eine Kurzgeschichte von Remarque zu erwerben; sie trüge den Titel Fate und handele von einer jungen Frau, die sich in ihren Arzt verliebe. Diese Aussage kennzeichnet den Beginn der Legenden um eine bis heute nicht aufgefundene Erzählung, die dem Film The Other Love zugrunde liegen soll, der am 27. März 1947 mit Barbara Stanwyck und David Niven in den Hauptrollen und unter der Regie von André de Toth seine Premiere feierte. Auf den Werbeträgern zum Film wird eine „story“ Beyond von Erich Maria Remarque als Vorlage angegeben, die jedoch ebenso wie Fate in den nachgelassenen Papieren Remarques bis auf den heutigen Tag unauffindbar blieb.

Am 23. Dezember 1940 notierte Remarque in New York in sein Tagebuch: Evtl. Sanatoriumssache anfangen: der Wagen Kais, –. Knapp sechs Jahre später holte er laut Tagebuch vom 25. November 1946 nach einem Lunch das Manuskript bei David Lewis ab, dem Produzenten von The Other Love. Unzweifelhaft ist, daß Remarque ein Treatment (kein Drehbuch) zu dem Film verfaßte und der Name des Autors werbeträchtig verwendet wurde. Erst 1997 konnte in den Papieren, die aus der New Yorker Kanzlei Greenbaum, Wolff & Ernst – die Remarques Interessen in den USA vertreten hatte – dem Nachlaß des Autors hinzugefügt wurden, dieses Treatment aufgefunden werden – in englischer Sprache und unter dem Titel des Films: The Other Love. Diese Papiere dokumentieren darüber hinaus die Geschichte des Textes und die Beteiligung Remarques an der Entstehung des Films. In einem internen Memorandum notierte Harriet Pilpel, die langjährig für Remarque zuständige Mitarbeiterin bei Greenbaum, Wolff & Ernst, am 13. Februar 1946:

 

Am Mittwoch, dem 13. Februar [1946] erklärte Remarque die Umstände des Handels, den er Lewis und Loew [den Produzenten des Films] vorschlagen will. Er beinhaltet eine fünfzehn- oder sechzehnseitige Synopsis, die er 1939 oder 1940 mit dem Ziel schrieb, daraus einen Film für Marlene Dietrich machen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt erwies sich dies jedoch als unmöglich, und er hat seitdem nichts weiter mit der Synopsis unternommen. Sie kann genauer weder als eine Synopsis noch als ein Entwurf beschrieben werden. (Remarque-Collection, Kay-Office, Box 11/5/1)

 

Remarque engagierte sich umfassend bei der Umsetzung der „Synopsis“ in einen Film. Zur Produktion gründeten Lewis und Loew, die zur gleichen Zeit mit ihren erst am 9. März 1946 gegründeten Enterprise Pictures die Verfilmung von Arc de Triomphe betrieben, am 15. Oktober 1946 die Lexington Production Ltd., an der Remarque mit 10% beteiligt war. Doch das Ergebnis des Films wie auch Remarques Ausflug in die Filmproduktion erwiesen sich als Flop. Zunächst distanzierte sich Remarque im Brief vom 26. Februar 1947 an Robert S. Tapling, den Geschäftsführer der Enterprise Production, vom Film:

 

[...] weil es nicht meine ursprüngliche Story ist, sondern die Story von M. Fodor [dem von Lexington engagierten Drehbuchautor]. Meine Story fing völlig anders an. Daher würde ich vorschlagen, daß Sie meinen Namen aus dem Titel herausnehmen, andernfalls würde es wie die ursprüngliche Story aussehen, die es nicht ist. Ich denke, daß es völlig ausreichend ist, irgendwo am Anfang des Vorspanns oder am Ende zu schreiben: „After the short story ‚Beyond’ by Erich Maria Remarque“.

 

The Other Love spielte die wegen der beteiligten Stars Stanwyck und Niven hohen Produktionskosten nicht ein; Lexington Productions und die Muttergesellschaft Enterprise Productions meldeten im Juni 1951 Konkurs an, da Lewis und Loew die Bankkredite nicht mehr zahlen konnten. Zuvor hatte Remarque gegen Enterprise wegen ausstehender Ratenzahlungen für seine Rechte an Arc de Triomphe prozessiert und gewonnen. Der Film The Other Love wurde Besitz der Sunset Securities Corporation, einer Tochter der Bank of America, und auch hier bedurfte es erst eines Gerichtsverfahrens, ehe Remarque seine Autorenrechte an Die andere Liebe zurückerhielt. Eine Kurzgeschichte Remarques mit dem Titel Beyond, wie sie die Werbung als Vorlage für den Film verbreitet hatte, hat also nie existiert.

Die Parallelen zwischen dem Treatment, das durch die Drehbuchautoren Ladislas Fodor und Harry Brown noch wesentlich verändert wurde, und anderen Werken Remarques sind auffällig: die Liebe zu einem Rennfahrer und das Schicksal einer todkranken Frau ziehen sich wie ein roter Faden durch das Werk Remarques: beginnend mit der Erzählung Das Rennen Vanderveldes (1924) über die Romane Station am Horizont (1927/28) und Drei Kameraden (1936/37), den Film The Other Love (1947) bis hin zu dem Roman Der Himmel kennt keine Günstlinge (1961), der zuvor unter dem Titel Geborgtes Leben 1959 in der Illustrierten Kristall erschienen war. Die ständige Gegenwart des Todes – auf der Rennstrecke oder im Sanatorium – war für Remarque ein Sinnbild für die Existenz des Menschen: die Bedrohung durch den Tod, dem nicht auszuweichen ist, bestimmt nicht nur in den Texten Remarques, sondern auch in seinem Leben das Verhalten zur Gegenwart, zu den Mitmenschen. Die Bedrohung produziert Fluchten vielfältiger Art und führt doch letztlich zu einer Versöhnung mit dem Tod. In diesem Sinne ist das Treatment zum Film The Other Love ein weiteres Beispiel für die Auseinandersetzung des Autors Erich Maria Remarque mit dem Tod – neben Krieg, Verfolgung, Exil eines der Hauptthemen seines Werkes.

Der Film The Other Love, der nach umfangreichen Eingriffen der Zensur in den amerikanischen Kinos lief, ist bislang kaum als Teil des Werkes Remarques wahrgenommen worden. Eine deutsche Rezeption blieb ihm lange verwehrt: Eine Kinoverwertung in Deutschland fand nicht statt, und erst am 20. Juli 1988 wurde er erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt.

 

Weiterführende Literatur

Rezensionen